Für ein positives Leben ohne Alkohol.

Empfehlungen, Nüchternheit, Sensibilität

Rezension: Einfach nüchtern! bzw. This naked mind (Annie Grace)

Buchcover

Ich habe mir dieses Buch gekauft, weil ich im Vorfeld gehört hatte, dass Annie Grace darin die Vorgänge, die bei Alkoholsucht im Gehirn stattfinden, sehr gut erklärt. Mir ging es bei der Lektüre also darum die organischen Zusammenhänge einer Sucht zu verstehen. Ich wollte nachvollziehen, was Alkohol in unserem Gehirn anstellt, wenn wir ihn konsumieren. Grace hat sich dazu wissenschaftlich belesen und ihr Wissen gekonnt für eine Laie wie mich formuliert. Besonders aufschlussreich war dabei die Zusammenhänge zwischen der Dopaminausschüttung im Gehirn und der daraus resultierenden Sucht zu erkennen. Die Sucht legt sich sozusagen selbst einen Kanal, weshalb wir Cravings, also ein Verlangen nach Alkohol, entwickeln. Demzufolge werden wir süchtig, weil wir Alkohol konsumieren. Es liegt also nicht am Menschen selbst, weil er vermeintlich zu „schwach“ ist, sondern an der süchtig machenden Substanz. Deswegen gibt es laut Weltgesundheitsorganisation auch keinen unbedenklichen Konsum. Man spricht nur von risikoarmen und riskantem Konsum. Das heißt, dass jeder Konsum von Alkohol die Gefahr in sich birgt irgendwann davon abhängig zu werden. Diese Erkenntnisse sind bahnbrechend für jemanden, der sich jahrelang selbst die Schuld für seine Abhängigkeit gegeben hat.

Weiterhin hat mir gefallen, dass Grace darauf eingegangen ist, welch hohe Rolle unser Unbewusstes im Zusammenhang mit Alkoholmarketing spielt. Ich selbst komme ebenfalls aus der Werbebranche und bin mir der Tricks bewusst, die Werbetreibende anwenden, um entsprechende Erfolgszahlen zu erzielen. Auch dies hat Grace gut dargestellt.

Es gibt nur eine Textstelle in dem Buch, die ich persönlich weggelassen hätte: Sie beschreibt auf Seite 176 ff* einen Selbsttest, den sie mit Alkohol durchgeführt hat. Sie möchte mit dieser Textstelle aufzeigen, dass Alkohol ihr, entgegen der allgemeinen Meinung, keinen Genuss verschafft. Ich finde das mit dem Selbsttest etwas unglücklich formuliert, wenn nicht sogar fahrlässig. Auf S. 177 im zweiten Absatz und auf S. 179 im letzten Absatz ermuntert sie sogar ihre Leser:innen dazu diesen Selbsttest alleine zu Hause durchzuführen. Mir gefällt das nicht, da ihr Buch nicht nur von Menschen gelesen wird, die darüber nachdenken mit dem Trinken aufzuhören, sondern auch von Menschen wie mir, die schon seit einiger Zeit nüchtern leben. Selbstverständlich bin ich dieser Aufforderung im Buch nicht nachgekommen, weil ich weiß, wie ein Suchtgedächtnis funktioniert. Bei einem Schluck würde ich riskieren sofort wieder dabei zu sein. Ich weiß das und deswegen habe ich das nicht gemacht. Aber weiß das wirklich jeder nüchterne Leser oder jede nüchterne Lerserin ihres Buches? Ich denke nicht. Als Autorin muss man sich darüber im Klaren sein, was das für Menschen sind, die das Buch in der Hand halten. Wenn ich weiß, dass das Menschen mit Suchtproblemen sind, schreibe ich nichts mit einem Selbst-Experiment rein. Deswegen gibt es für diese überflüssige Textstelle einen Punktabzug.

Fazit: Insgesamt bekommt dieses Buch einen Daumen hoch, weil Grace die Inhalte, auf die es mir bei dem Buchkauf ankamen, deutlich und einprägsam erklärt hat. Ich bin also von der Lektüre nicht enttäuscht worden. Ich bewundere Menschen, die komplexe Studien lesen, sie so nerdig gut verstehen und deren Forschungsergebnisse dann in einer Sprache widergeben, die unsereins versteht. Es gibt nur einen kleinen Punktabzug für die eine Textstelle, die mir nicht gefallen hat. Also 4 von 5 Sternen. Ich denke, dass diese QuitLit bei jedem von uns zu Hause im Bücheregal stehen sollte, der sich für ein Leben ohne Alkohol interessiert.

Falls du neugierig darauf geworden bist, findest du es in jedem Buchladen deiner Wahl oder auch online:

*Annie Grace, Einfach nüchtern!, Unimedica, Kandern, 2. Auflage – 2020, S. 176 ff.