Für ein positives Leben ohne Alkohol.

Sensibilität

Ist es Zeit für eine Zeitenwende?

Windräder auf hügeliger Landschaft

Photo credits: American Public Power Association // unsplash

Während ich diese Zeilen schreibe, sitze ich gerade im Zug nach Berlin. Ich werde dort die Schirmherrin des Französisch-Projekts von sensibelundstark.com sober moi treffen, Halka aus der Normandie. Das wird schön. Denn ich liebe Berlin und Halka und ich haben uns viel zu erzählen.

Für mich ist es gerade viel, was in diesen Tagen passiert: Vor einer Woche noch marschierte ich auf dem globalen Klimastreik durch Hannovers Innenstadt mit. Das war auch meine allererste Demo, auf der ich jemals war. Meine Klimagefühle haben mich seit unserem letzten Spanienurlaub wieder eingeholt. Zu dem Thema habe ich Anfang September etwas in der Berliner Zeitung veröffentlicht. Falls du den Essay noch nicht gelesen hast, verlinke ich ihn dir hier nochmal.

Die Demo fand ich schön und friedlich. In Hannover waren wir so 3.000 Leute. Damit waren wir die größte Demo in ganz Niedersachsen an dem Tag. Denn beim globalen Klimastreik wird ja überall gestreikt; egal ob in Frankreich, Italien oder Myanmar, überall.

Vom globalen Klimastreik in Hannover

Das, was mir an der Demo so gefallen hat, waren die Gespräche, die ich führen konnte. Ich habe den Tag nämlich mit Hans verbracht. Ich kenne ihn aus einen meiner Musikerkreise. Wir haben uns ganz zufällig dort getroffen. Hans ist wahrscheinlich so etwas wie ein „alter weißer Mann“, aber ich meine das nicht abwertend. Ich merke, dass ich mich manchmal ganz gerne mit Menschen unterhalte, der einer älteren Generation entspringen. Ich bin an deren Perspektiven interessiert. Manchmal hole mir von ihnen auch ein paar Tipps fürs Leben, weil sie über einen größeren Erfahrungsschatz verfügen als ich. Dies bedeutet aber nicht, dass ich dann auch immer alles so umsetze, was mir geraten wird.

Die (Hoch)sensibilität und das Klima

Dadurch, dass ich eine HSP bin, also eine (hoch)sensible Person, habe ich ja ganz feine Antennen. Meine Sinnesschranken sind offener. Das heißt, dass ein (hoch)sensibler Mensch intensiver riecht, fühlt, schmeckt, sieht und hört als sein Umfeld dies tut. Gem. der Pionierwissenschaftlerin Elaine Aaron, die dieses Phänomen Ende der 90er Jahre entdeckte, haben etwa 20 Prozent aller Menschen diese Charaktereigenschaft, also in etwa jeder fünfte Mensch auf diesem Erdballen.

Als (hoch)sensibler Mensch kann ich besonders gut draußen in der Natur auftanken. Laut den sechs bis sieben Büchern, die ich bisher über (Hoch)sensibilität gelesen habe, ist das typisch für HSP. Wir haben eine detailreiche Wahrnehmung, die häufig eine gewisse Reizüberflutung verursachen kann, während die Natur uns dabei hilft uns zu erden. In der Natur kommen wir zur Ruhe und auf ihre ganz sanfte Art und Weise zeigt sie uns, worauf es wirklich im Leben ankommt. Sie gibt uns Halt. Das, was ich hier über (Hoch)sensible schreibe, gilt gewiss auch für normalsensible Personen. Da uns HSPlern die Natur so unheimlich viel gibt, fühlt es sich für mich so an, sie auch in einem besonderen Maße schützen zu müssen. Ich glaube, dass das eine Aufgabe ist, die den HSPlern so zugetragen ist. Ich kann nicht rational erklären, woran das liegt. Genau deswegen werde ich das Gefühl nicht los, dass die Sache mit dem Klima auch seine Daseinsberechtigung auf diesem Blog hat. Denn ursprünglich hatte ich ihn ja mal für ein positives Leben ohne Alkohol gebaut, um mich hier mit Themen rund um mentale Gesundheit auseinander zu setzen. Gewiss werde ich das auch weiterhin tun, weil mein Interesse an diesem Thema immer noch nicht abgeebbt ist. Dennoch möchte ich dem Klimathema hier eine Bühne geben, weil es für mich auch etwas mit mentaler Gesundheit zu tun hat, dass wir den nachfolgenden Generationen, nämlich unseren Kindern und Enkelkindern, weiterhin einen angenehmen Lebensraum bieten können. Es ist unser aller Problem und es belastet mich. Es belastet mich auch, weil ich mich damit in meinem unmittelbaren Umfeld sehr alleine fühle. Deswegen habe ich angefangen zu sog. Klimacafés in unserer Stadt zu gehen. Das ist eine Initiative der Psychologists for Future. Dort ist es möglich ganz offen in einer Gruppe und in Zweier-Gesprächen über seine Klimagefühle zu sprechen. Die anderen Teilnehmer:innen hören dir mit vollem Herzen zu. Die Treffen werden von ein bis zwei Personen, in der Regel sind das Psychologen, angeleitet. Was mir beim letzten Treffen so gut gefallen hat, war die Vielfalt innerhalb der Gruppe: Es war u.a. eine Mutter mit ihrem Säugling da, ein Wissenschaftler hat seinen Hund mitgebracht und eine Dame im Rollstuhl hat sich ebenfalls an der Runde beteiligt. Von den Gesprächen, die dort geführt wurden, habe ich sehr viel mitgenommen und auch bei diesem Treffen haben sich mir wieder die unterschiedlichen Perspektiven und Blickwinkel auf ein und das gleiche Problem eröffnet, was mich ungemein fasziniert. Diese Verbundenheit innerhalb einer so facettenreichen Gruppe zu spüren, ist absolut kraftspendend, sofern das Treffen gut angeleitet ist. Denn Community ist wichtig. Wir kennen das ja schon aus dem Sucht-Kontext. Falls du auch gerne mal ein Klimacafé besuchen möchtest, dann schau‘ mal im Internet, ob vielleicht eins in deiner Stadt angeboten wird. Weitere Infos findest du bestimmt auch unter diesem Link: psy4f.org.

Wie das mit dem Klima bei mir kam

Das mit den Klimagefühlen hatte bei mir vor etwa zweieinhalb Jahren angefangen, als ich das Marketing für das grüne StartUp einer befreundeten Umweltingenieurin gemacht habe. In dem Zusammenhang musste ich erst mal verstehen, welches Problem bzw. welches Bedürfnis das Produkt meiner Freundin stillt, um mir eine erfolgsversprechende Marketing-Strategie überlegen zu können. In der Zusammenarbeit merkte ich, wie schwer es für sie war ein CO2-neutrales Produkt auf den Markt zu bringen, obwohl sie sich das auf die Fahnen geschrieben hatte. Damals fing ich dann mit meiner Klimaforschung an und lies mir Studien vom PIK durch, also dem Potsdamer Institut für Klimaforschung. Als ich mir dann das ganze Wissen angeeignet hatte, folgten einige schlaflose Nächte. Ich verstand auf einmal dieses Erdsystem, inwiefern die Kipp-Punkte relevant für uns und unser aller Leben sind und so vieles mehr. Auf einmal sah ich diese riesige Bedrohung für die Menschheit. Vor allem verstand ich aber auch, wie wenig Zeit uns noch bleibt, um das 1,5 Grad-Ziel zu erreichen. Ich sah, dass gewisse Veränderungen noch in diesem Jahrzehnt stattfinden müssen, um die Klimakrise einzudämmen.

Mit diesem Text möchte ich nun also darüber informieren, dass Klima zukünftig auch auf diesem Blog besprochen wird. Ich genieße es so sehr, dass ich auf dieser Plattform eine absolute Narrenfreiheit habe und über alles schreiben kann, was ich will. Dafür ist es ja mein Blog. Klima gehört für mich zur mentalen Gesundheit dazu. Denn auch bei der Eindämmung der Klimakrise geht es um Resilienz und Selbstfürsorge. Auch das kennen wir aus den Sucht-Kontexten.

Meine Traumatherapie

Zudem wollte ich dir heute mal ein generelles Update von mir geben. Denn was für mich auch zur mentalen Gesundheit dazu gehört, ist mit dir zu teilen, dass ich nun schon seit ein paar Monaten eine Traumatherapie mache. Oben hatte ich ja schon angedeutet, dass gerade sehr viel los ist. Damit meine ich vor allem innere Prozesse, innere Baustellen, die da schon seit über 20 Jahren brach liegen und jetzt angeschaut werden möchten. Ich weiß also schon ganz lange, dass ich mal sowas wie eine Traumatherapie machen sollte, habe aber erst dieses Jahr die Muse und Kraft dazu gefunden mich darum zu kümmern. Immerhin bin ich ja letzten Monat 40 Jahre alt geworden und mittlerweile stolze 9 Jahre nüchtern. Dann kann mal auch mal versuchen die Wunden aus der Vergangenheit zu heilen. Denn ich möchte jetzt nicht noch weitere 10 Jahre warten bis ich 50 bin, um mich darum zu kümmern. Was genau damals während meiner jungen Jahre passiert ist, darüber möchte ich hier nichts schreiben.

Aber ich wollte dich an dem Prozess der Bewältigung teilhaben lassen. Ich mache das zur Zeit mit einer Gruppe von neun Leuten. Ich halte sehr viel davon. Wir treffen uns einmal die Woche für eineinhalb Stunden. Die Therapeutin ist SEHR gut. Ich habe noch nie zuvor so eine fähige Therapeutin kennen gelernt. Einzelgespräche finden mit ihr zusätzlich ungefähr alle vier bis sechs Wochen statt. Dort kann man dann Themen besprechen oder Übungen machen, die vielleicht nicht so gut für die Gruppe geeignet sind. Was mir am meisten gefällt, ist, dass alles von der Kasse übernommen wird. Ich musste nur einmal zu meiner Hausärztin, die für mich einen Konsiliarbericht erstellt hat. Die Kasse braucht sowas. Danach konnte es losgehen.

Ich hatte mich im April auf die Warteliste setzen lassen und 10 Wochen später einen Platz zugeteilt bekommen. Anfangs war ich skeptisch wegen der Gruppenarbeit. Denn wer hat schon Lust seine intimsten Ängste und Gefühle mit einer Horde Fremder zu besprechen, die dir dann auch noch von Angesicht zu Angesicht gegenüber sitzen? Aber durch das Gruppensystem habe ich eben auch so schnell einen Platz bekommen. Wenn man Lust hat zu arbeiten, dann ist diese Gruppenarbeit auch sehr effektiv. Mit Arbeiten meine ich, dass du dich am Gruppengeschehen beteiligst. Bisher habe ich in der Gruppe zwei mal von mir erzählt und spüre, dass mich der Input, den ich dort bekomme, den ganzen Tag begleitet. Es arbeitet dann also wirklich in mir. Auch hier habe ich wieder diesen Querschnitt durch die Gesellschaft. Wir sind alle unterschiedlichen Alters, sind unterschiedlich gebildet, haben ganz andere Backgrounds und deswegen auch sehr unterschiedliche Perspektiven auf ein Problem. Deshalb ist es dann doch so beeindruckend zu erfahren, wieviel wir von der Geschichte des Anderen für uns selbst mitnehmen können. Für mich sind das die wertvollsten Gesprächsrunden. Du merkst also, dass sich gerade viel bei mir verändert und bewegt. Das ist manchmal wirklich herausfordernd und verursacht bei mir Wachstumsschmerzen. Und nur weil ich mir jetzt wöchentlich ungefähr eineinhalb Stunden für mich und meine Probleme Zeit nehme, die ich schon seit über 20 Jahren habe, heißt das auch nicht, dass auf einmal alles gut ist. Denn das, was wir in der Gruppe besprechen, möchte auch umgesetzt werden.  Das benötigt auch nochmal meine Zeit und Aufmerksamkeit. Wenn ich mir also diese Zusatz-Zeit nicht nehmen würde, dann bringt die ganze Therapie auch nichts und ich könnte sie mir dann auch gleich sparen. Das Besprochene umzusetzen ist also die Herausforderung an der Sache. Aber Veränderung hat auch was Heilsames. Deswegen teile ich das mit dir. Bei mir war es jetzt einfach mal Zeit für eine Zeitenwende, um die Geister der Vergangenheit hinter mir zu lassen. Wenn ich es geschafft habe ein paar Dinge von früher loszulassen, dann kann ich auch wieder gelöster und entspannter in die Zukunft blicken. Darauf freue ich mich schon sehr. Das ist nämlich ein wirklich positiver Ausblick, der mich ungemein motiviert die Sache anzugehen. Meine ganzen Energiereserven werden nämlich noch an anderer Stelle gebraucht. Das spüre ich ganz deutlich.