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Empfehlungen, Nüchternheit, Sensibilität

Rezension: We are the Luckiest (Laura McKowen)

Buchcover

Heute möchte ich ein Buch rezensieren, das es mir ganz besonders angetan hat: We are the Luckiest von Laura McKowen. McKowen ist eine amerikanische Schriftstellerin, die, bevor sie nüchtern wurde, eine steile Karriere im Marketing hingelegt hat. Heute bietet sie Online-Programme an, die Menschen mit Alkoholproblemen in ihre Nüchternheit verhelfen.

Das Buch spricht mich deswegen so stark an, weil ich in letzter Zeit das Glück habe tatsächlich in einigen #nüchtern-Kreisen und -Gruppen unterwegs sein zu können, sodass ich immer mal wieder auf Mütter stoße, die noch getrunken haben, als ihre Kinder schon auf der Welt waren. Dass ihre Kinder teilweise die krassesten Auswüchse ihrer Abhängigkeit mitbekommen haben, ist für diese Frauen ein riesiger Ballast, weil es eben auch sehr Scham behaftet ist eine Mutter mit Alkoholproblemen zu sein. Genau diesen Frauen möchte ich das Buch von Laura McKowen von Herzen empfehlen. Denn sie beleuchtet auf einer sprachlich einwandfreien Ebene, wie sich das anfühlt eine trinkende Mutter gewesen zu sein. Sie tut das auf einer sehr persönlichen Ebene und gibt so diesem riesigen Tabu-Thema ein Gesicht. So können sich betroffene Mütter mit ihr identifizieren, und zwar ganz ohne Scham.

Wenn ich mich manchmal mit erwachsenen Kindern aus suchtbelasteten Familien über ihre Erfahrungen in ihren Herkunftsfamilien unterhalte, sagen sie mir häufig, dass es ihnen schwer fällt das Unbesprechbare besprechbar zu machen. Ich denke, dass es da dem trinkenden Elternteil genauso geht, also dass ihm die Worte dafür fehlen. Dadurch dass McKowen in diesem Buch ihre Erfahrungen teilt, bricht sie eine Lanze für das Unbesprechbare, also für das meist bestbehütete Familiengeheimnis. Dadurch macht sie das Problem greifbar, findet Worte dafür, setzt es sprachlich um und formt somit unsere Realität, und zwar stellvertretend für alle Familiensysteme, die unter der Sucht eines geliebten Menschen leiden. Das finde ich an diesem Buch wirklich stark und herausragend. Vielleicht merkt man an diesem Beispiel auch, dass in den USA eine andere Fehlerkultur herrscht als in Deutschland: USA ist definitiv nicht mehr The Place to Be, aber es ist immer noch das Land der zweiten Möglichkeiten, was gewiss mit der Trial and Error-Mentalität dort zusammenhängt. Dadurch sind Amerikaner:innen häufig besser dazu in der Lage schambehaftete Sachen auszusprechen bzw. sich Fehler einzugestehen. Da sind wir im deutschsprachigen Raum wirklich etwas hinter her, genauso wie mit allem, was mit Alkoholprävention zu tun hat.

Generell mag ich es, dass Laura McKowen in ihrem Buch so viele feine Nuancen der Early Sorbriety beschreibt. Beim Lesen merkt man, dass sie anfangs sehr viel damit gehadert hat und einen langen Weg gehen musste. Auch in diesen Schilderungen können sich gewiss viele, die noch ganz frisch in ihrer Nüchternheit sind, stark wieder finden. Zugleich empfinde ich das Buch als sehr weiblich, weil Laura nun mal eine karrierebewusste Frau war, die im Laufe ihres Lebens zwangsläufig mit anderen Dingen konfrontiert wurde als Männer: die Vereinbarkeit von Beruf mit ihrem Dasein als Mutter, das Stigma um trinkende Mütter und die Tatsache, dass Frauen ganz oft Schwierigkeiten haben sich selbst an erste Stelle zu setzen. Letzteres ist aber immens wichtig, um das mit der Nüchternheit überhaupt durchziehen zu können. Es ist vergleichbar mit der Situation im Flugzeug, wenn die Sauerstoffmasken runterfallen: Zunächst setze ich mir eine auf, bevor ich meinem:er Sitznachbar:in damit helfe.

Spannend fand ich auch, dass McKowen den Themenkomplex rund ums Sober Dating bzw. Sober Love mit aufgenommen hat. Denn viele von uns sind es nicht gewohnt komplett nüchtern ein erstes Date zu überstehen. Mit welchen Unsicherheiten unsereins dabei konfrontiert wird, beschreibt die Autorin sehr eingänglich. Wenn man das so liest, hat das etwas sehr Jungfräuliches an sich.

Es gab eine Textstelle, die mich besonders nachdenklich gemacht hat, und zwar ist das die Stelle, wo die Autorin ihr erstes Mal beschreibt. Es war nichts Besonderes; mit einem absoluten Voll-Honk in meinen Augen. Die Zwei hatten einfach nur Sex, weil sie betrunken waren. Als ich das gelesen habe, musste ich darüber nachdenken, wie vielen jungen Frauen es wohl so ergeht? Dass sie einfach nur mit jemanden schlafen, weil Alkohol im Spiel ist? Ich finde, dass da einem so viel geraubt und genommen wird. Wenn ich so darüber nachdenke, macht mich das wirklich traurig und irgendwie auch wütend. Ich finde es gut, dass McKowen auch hier nichts beschönigt und so offen und ehrlich darüber schreibt.

Zur Zeit gibt es das Buch leider nur in englischer Sprache. Ich bin sehr froh, dass ich der englischen Sprache mächtig bin und es deshalb so problemlos verschlingen konnte. Da die Inhalte des Buches aber auch eine hohe Relevanz für den deutschsprachigen Markt haben, wünsche ich mir von Herzen, dass es irgendwann auch in deutscher Sprache erscheint. Damit könnte es so vielen mehr Menschen zugänglich gemacht werden.

Aus den genannten Gründen bekommt Laura McKowen für ihr Erstlingswerk „We are the Luckiest“ 5 von 5 Sterne von mir. Eine absolute Leseempfehlung & a pleasure to read!

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