Für ein positives Leben ohne Alkohol.

Nüchternheit, Sensibilität

Warum sensibel und stark?

Zitat von Brené Brown auf weißem Papier

Foto: Alena Ganzhela

Frei übersetzt bedeutet das obige Zitat im Bild von Brené Brown:

„Wenn wir über Verletzlichkeit sprechen, geht es nicht ums Gewinnen oder Verlieren, sondern vielmehr um den Mut sich zu zeigen, so wie man ist; auch wenn wir keine Kontrolle darüber haben, was dabei am Ende heraus kommt.

Deswegen ist es keine Schwäche sich verletzlich zu zeigen, sondern eher ein Indikator für Mut.“

Ich habe meinen Blog „sensibel & stark“ genannt, weil ich denke, dass es Scham besetzt ist, heutzutage ein „Sensibelchen“ zu sein. Ich habe etwa ein Jahr, nachdem ich aufgehört hatte zu trinken per Zufall heraus gefunden, dass ich hochsensibel bin. Damit sind Menschen gemeint, die aufgrund ihrer offenen Sinnesschranken empfänglicher für alle Reize aus ihrer Umwelt sind. Laut der Wissenschaftlerin Elaine Aron sind etwa 20 Prozent aller Menschen hochsensibel. Man nennt sie auch HSP, was für hochsensible Person steht. Experten gehen davon aus, dass ihr Gehirn nicht dazu in der Lage ist wichtige Informationen von unwichtigen zu unterscheiden. Demnach fühlt, riecht, hört, schmeckt und sieht ein hochsensibler Mensch intensiver, als es Normalsensible tun. Denn jede Information kommt im Gehirn an. Selbstverständlich brachte es zunächst einiges an Erleichterung, dass es ein Wort für mich und meine Gefühlswelt gibt, aber tief im Inneren wollte ich das nicht sein. Damals wollte ich noch die Macherin, die High-End-Performerin sein. Eine, die sich nicht ständig mit allem überfordert fühlt. Vor allem wollte ich beim nächsten Jahresgespräch mit meinem Chef eine höhere Gehaltsstufe aushandeln. Mit dem Wissen „hochsensibel“ zu sein, wusste ich, dass ich das alles knicken konnte. Denn ich fühlte mich ja so oder so schon gestresst an meinem Arbeitsplatz. Wie sollte ich da ein höheres Gehalt verargumentieren können? Ich malte mir ein Leben in einer immer gleichbleibenden Gehaltsstufe aus, was natürlich damals sehr übertrieben von mir war.

Ich war also alles andere als begeistert davon hochsensibel zu sein. Es ist nämlich etwas anderes als wenn man nach 31 Lebensjahren z.B. erfährt, welches Sternzeichen man hat. Das mit der Sensibilität ist stigmatisiert. So ähnlich wie das mit dem Label „Alkoholiker:in“ ist. Ich hatte auf einmal also zwei Baustellen, um die ich mich kümmern musste: Einmal nüchtern zu bleiben und einmal mein Leben so umzupolen, dass meine Sensibilität darin Platz findet. Beides hing nicht nur miteinander zusammen, sondern ergänzte sich gegenseitig. Über Jahre hinweg habe ich gegen mich und meine eigene Sensibilität gearbeitet. Mit dem Alkohol hatte ich mich regelmäßig betäubt, um meine offenen Sinnesschranken zu schließen. Um mal Ruhe zu haben, um abschalten zu können. Um kein Chaos im Kopf zu haben.

Wir leben immer noch in Zeiten, in denen Stress als Statussymbol gilt.

Wer immer „busy“ ist, wird mehr bewundert. Wer Multitasking betreibt und viel arbeitet (oder es behauptet), der ist erfolgreicher. Daher kritisiere ich die Leistungsgesellschaft, in der wir alle leben, zutiefst. Denn sie fördert toxische Arbeitsverhältnisse. Wie häufig ist es passiert, dass ich schief angeschaut wurde, als ich pünktlich Feierabend gemacht habe? Seitdem ich weiß, dass ich HSP bin, mache ich keine Überstunden mehr, weil ich weiß, dass ich die Zeit zum Regenerieren brauche. Selbstfürsorge wird in den modernen Konzernen aber nicht gerade hoch angesehen. Niemand applaudiert dir, wenn du es wagst dich frühzeitig vom Rudel zu entfernen. Vor allem dann nicht, wenn der Schreibtisch mal wieder überquillt, was eigentlich ständig der Fall ist. Dieses Gefühl hat Deickind in dem Lied „Bück dich hoch“ hervorragend zum Ausdruck gebracht:

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Sensible Menschen sind bekannt für ihre Fühligkeit und genau um die soll es auf meinem Blog gehen. Mit meinen Inhalten möchte ich diese Menschen stärken. Sie ermutigen kein überangepasstes Leben zu führen und ein Gespür für ihre Grenzen zu entwickeln. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass man häufig belächelt wird, wenn man preisgibt, viele intensive Gefühle zu haben und sensibel zu sein. Es ist nicht unbedingt ein Label, das man in unserer Leistungsgesellschaft, wo es mitunter mit harten Bandagen und Ellenbogen-Mentalität zugeht, haben möchte. Mit diesem Blog möchte ich auf all das Schöne und die ganzen Vorteile aufmerksam machen, die sensible Persönlichkeiten mit sich bringen. Denn Gefühle sind das, was uns als Menschen ausmacht. Sie sind das, was uns alle miteinander verbindet. Wenn ich z.B. erzähle, dass ich Liebeskummer habe, weiß mein Gegenüber sofort was los ist. Er sitzt mit im Boot. Wenn ich auf mache, macht mein Gegenüber auch auf. Das ist viel besser, als wenn jeder nur alleine hinter einer verschlossenen Tür sitzt. Unsere Gefühle schaffen Zugehörigkeit und Verbundenheit im Sinne von Empathie. Das sind gegenteilige Gefühle zur Einsamkeit. Einsamkeit ist einer der größten Stressoren der heutigen Zeit und war auch mit ein Hauptgrund meines damaligen Trinkverhaltens. Zugehörigkeit und Verbundenheit sind übrigens auch das beste Heilmittel gegen Scham. Wenn wir zu unserer Fühligkeit stehen, haben wir reale Chancen uns emotional zu stabilisieren. Dann können uns unsere Gefühle in dieser lauten, schnelllebigen und dynamischen Welt auch Halt geben.

Warum ich lieber von Sensibilität spreche

Ich lasse übrigens gerne mal die Vorsilbe „hoch“ weg und sage einfach nur, dass ich sehr sensibel bin. So werden so viele Menschen mehr ein- als ausgeschlossen. So wird keine spezielle Gruppe und somit keine Sonderstellung geschaffen, zu der andere keinen Zutritt haben. Denn Sensibilität ist facettenreich. „Nicht alle sensiblen Menschen tragen die gleichen Merkmale, aber ihre Fühligkeit eint sie.“ sagt die Autorin und Podcasterin Maria Anna Schwarzberg. Diese Sichtweise halte ich für sinnvoll, weil mir der Gedanke gefällt sich auf etwas zu konzentrieren, das alle Menschen miteinander vereint. Wenn wir es schaffen unsere Masken abzulegen und Einblicke hinter die Fassade gewähren, um mehr Klartext zu reden, wäre das ein enormer Gewinn für uns selbst. Insofern ist Sensibilität durchaus als wichtiger positiver Motor für unsere Gesellschaft zu werten.